Die Stationen

OS_Rundgang.jpg

Gerahmt wird der digitale Rundgang durch die Osnabrücker Kriegsgeschichte vom Neumarkt als damals wie heute zentralem Ort, geographisch wie des Gesellschaftsgeschehens. Hier stehen sich ambivalent die Ereignisse bei Kriegsbeginn, das ‚Augusterlebnis‘ (Mit Hurra in den Krieg), und die Wirren der Revolution von 1918/19 gegenüber (Revolution und Kriegsende in Osnabrück), als der Platz und das dort liegende Gerichtsgebäude mit angeschlossenem Gefängnis zu Schauplätzen gewalttätiger Auseinandersetzungen wurden.

Wenige Meter Richtung Westen lässt sich im Hof des Schlosses von Osnabrück (Vom Zivilisten zum Soldaten) nachvollziehen, wie dort mit militärischem Zeremoniell ‚Kriegsfreiwillige‘ vereidigt und auf ihren Kampfeinsatz vorbereitet wurden.

In unmittelbarer Nähe am Ratsgymnasium (Von der Schulbank an die Front) zeigen sich die Sozialisationsergebnisse des Schulsystems im Deutschen Kaiserreich und die ‚Kriegsbegeisterung‘ von Oberprimanern im Sommer 1914.

Einen weiteren Osnabrücker Zentralort stellte der Hauptbahnhof dar. Von ihm aus wurden nicht nur Soldaten und Material zur Front transportiert (Drehscheibe des Krieges), sondern kehrten auch Verwundete zurück, die man an der nahe gelegenen Verbands- und Erfrischungsstelle (Frauen an der Heimatfront) sowie im Marienhospital (Der Krieg erreicht die Stadt) versorgte. In den verschiedenen Lazaretten sowie im ehemaligen Landeskrankenhaus am Gertrudenberg machen die Folgen psychischer Traumatisierung von Soldaten und die Versorgung tausender Verwundeter in den Lazaretten der Stadt die schrecklichen Folgen des Krieges sehr konkret in der Stadt sichtbar.

Hier übernahmen Frauen die Rollen von Zeuginnen des "Grauens" (so eine an der Verbandsstelle am Bahnhof arbeitende Helferin, als sie von der ‚Front‘ zurückkommende Lazarettzüge mit Schwerverwundeten sieht) sowie als Pflegerinnen der Verwundeten. Gleichzeitig wurden sie aber auch im hinter dem Bahnhof gelegenen Stahlwerk (Vom Herd in die Fabrik) bei der Munitionsherstellung zu Produzentinnen desselben. Hier, wie in vielen weiteren bis dahin Männern vorbehaltenen Berufen, füllen Frauen die gesellschaftlichen Lücken der zur Front abberufenen Soldaten. 

Nicht nur an der Front leiden und sterben Menschen. An der unweit der Johanniskirche gegenüber dem ehemaligen Neustädter Rathaus gelegenen Musküche (Kampf gegen Hunger und Not) wird deutlich, wie stark die Kriegssituation die Versorgung der Bevölkerung einschränkt und Mangel und Not, gegen die eine Sparsamkeits- und Durchhaltepropaganda zunehmend erfolglos ankämpft, den Alltag der Menschen in Osnabrück zu prägen beginnt.

Eine weitere Station bildet die am Marktplatz gelegene Marienkirche (Mit Gott für König und Vaterland), in der in Szene gesetzte Predigtauszüge die Rolle der Kirchen bei der Kriegsmobilisierung und der Erzeugung von Durchhaltebereitschaft illustrieren.

Das Rathaus (Öffentliches Gedenken und private Erinnerung) dagegen wird nicht nur zum Ankerpunkt für eine Auseinandersetzung mit der Rolle der Stadtverwaltung bei der Organisation einer Kriegsgesellschaft. Vielmehr verweisen Quellen zu Gedenktafeln und Denkmälern auf die bereits vor Kriegsende beginnende Herausbildung zunehmend politisierter Erinnerungspraktiken im öffentlichen Raum.

Auf dem Weg durch den so erschlossenen Stadtraum passieren Nutzer:innen auch den Domhof (Die Lücken des Krieges), den auf der nördlichen Seite Anbauten des Domkomplexes, auf der südlichen Seite das Stadttheater und mehrstöckige Wohnhäuser rahmen. In fünf Häusern wohnen 1914 sieben Männer, die im Krieg ihr Leben verlieren werden. Am Domhof 7a etwa lebt bei Kriegsbeginn die verwitwete Amalie Lange und betreibt die Saatgut- und Düngemittelhandlung Lange und Lehners. Drei ihrer Söhne werden im Ersten Weltkrieg sterben.

Ausgewählte Biographien von Gefallenen finden Sie an der Station Kriegsschicksale. Mithilfe von Briefen, Tagebucheinträgen, Fotografien und anderen personenbezogenen Quellen soll eine Annäherung an Menschen versucht werden, die als Gewaltakteure vor über einhundert Jahren den Ersten Weltkrieg erlebten und in ihm starben.

Dort finden Sie auch die verlinkte Website der Geodatendienste der Stadtverwaltung. Diese bietet auch die Möglichkeit, gezielt nach einzelnen Namen zu suchen, einzelne Straßenzüge mit den von dort stammenden ‚Gefallenen‘ auszuwählen, an einem beliebigen Standort eine Umkreissuche durchzuführen oder das Eintreffen der Benachrichtigungen über den Tod eines Angehörigen in ihrer zeitlichen Abfolge im Stadtbild anzeigen zu lassen.

Diese Perspektive verdeutlicht über den Einzelfall hinaus, wie tief Krieg in Gesellschaft eingreift und stellt auf bedrückende Weise die Frage, wie viel Tod Gesellschaften ertragen können, ohne ihre Bereitschaft zur Fortsetzung eines Krieges zu verlieren bzw. welche Mechanismen Durchhalte- und Kriegsbereitschaft im Angesicht dieses Leids hervorbringen.

Die so exemplarisch verdeutlichten Spuren, die der Krieg in einzelnen Familien hinterlassen hat, sind unserer Ausstellung als ein Element präsent, das sich begleitend durch die ganze Präsentation zieht und Nutzerinnen und Nutzer bei ihrem realen oder virtuellen Weg durch Osnabrück begleitet.

Unter Sammlung finden Sie noch einmal das vollständige Quellenmaterial (Fotos, Videos, Karten, Feldpostbriefe etc.) und Texte geographisch auf einer Karte der Stadt Osnabrück verortet sowie Verweise zur im Kontext des Forschungsprojektes entstandene Literatur.