Die Entwicklung des Automobil- und Karosseriebauunternehmens Karmann (1901 bis 2009)

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Firmengründer Wilhelm Karmann (1871-1952). (Quelle: Wilhelm Karmann GmbH (Hrsg.): 100 Jahre Karmann. Eine Erfolgsgeschichte. Osnabrück 2001, S. 9)

1901 begann der Weg der Wilhelm Karmann GmbH am Kamp 30/31 in der Osnabrücker Innenstadt, wo Wilhelm Karmann den renommierten Wagenbaubetrieb von Christian Klages übernahm. 1911 übernahm Karmann die Osnabrücker Maschinenfabrik und Eisengießerei R. Lindemann in der Martinistraße 59-63 (Betrieb I), wo zum ersten Mal Aufträge zum Kutschenbau abgelehnt werden mussten, da die Fertigung der Automobil-Karosserien alle Kräfte band.1

Nachdem der Erste Weltkrieg überstanden war, investierte Karmann 1924 wieder in neue Maschinen und Produktionstechniken, um alles für die Serienfertigung von Ganzstahl-Karosserien vorzubereiten. Anfang der 1930er Jahre expandierte das Unternehmen weiter: An der Martinistraße 93-95 entstand das Werk III. Kurz darauf - im Jahr 1935 - wurde der Grundstein für das 4.000 Quadratmeter große Werk IV an der Weidenstraße 15 gelegt, das sich damit direkt gegenüber dem Betrieb II (Weidenstraße 20) befand.2 Abgeschlossen war die Expansion damit allerdings nicht. Wegen steigender Auftragszahlen erwarb Wilhelm Karmann 1936 ein 9.000 Quadratmeter großes Grundstück an der Neulandstraße (heute Karmannstraße), das er kurz vor Kriegsbeginn nochmals um 6.500 Quadratmeter erweiterte. Darauf entstand das Werk V.3

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Die Produktionsbänder bei Karmann für das Käfer Cabriolet, ca. 1953/54. (Quelle: Wilhelm Karmann GmbH (Hrsg.): 100 Jahre Karmann. Eine Erfolgsgeschichte. Osnabrück 2001, S. 47)

Zur unrühmlichen Geschichte Karmanns zur Zeit des Zweiten Weltkrieg und der Ausbeutung tausender Zwangsarbeiter:innen siehe Kapitel "Zwangsarbeit" (inkl. Unterkapitel).

Nach dem Zweiten Weltkrieg sahen sich Wilhelm Karmann und sein Sohn mit einem zähen Wiederanfang konfrontiert. Der Aufschwung gelang ihnen unter anderem durch den Bau des VW Käfer Cabriolets ab 1949. Die Produktion des Cabriolets war ein voller Erfolg: Bis 1980 wurden in Osnabrück 331.847 dieser Autos gebaut.4 Nachdem Wilhelm Karmann 1952 verstorben war, übernahm sein Sohn Wilhelm die Unternehmensführung. Er vergrößerte das Unternehmen weiter, gründete 1960 Karmann Ghia do Brasil in Sao Paulo und ließ 1964 ein Werk in Rheine bauen. Gefertigt wurde in der Zeit vor allem für Volkswagen.5

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Werk V an der Neulandstraße, 1962. (Quelle: Wilhelm Karmann GmbH (Hrsg.): 100 Jahre Karmann. Eine Erfolgsgeschichte. Osnabrück 2001, S. 19)

Die Produktion und Verwaltung der Werke I bis IV an der Martini- und Weidenstraße in Osnabrück wurden ab 1957 sukzessive an den Standort Neulandstraße verlegt.6 Die Nachnutzung der damit leerstehenden Gebäude von Werk IV bzw. die Neugestaltung des Betriebsgrundstücks wird in den folgenden Unterkapiteln näher erläutert.   

Als sich Wilhelm Karmann 1989 aus der Geschäftsführung zurückzog und Rainer Thieme als erste familienexterne Person an die Firmenspitze berufen wurde, beschäftigte das Unternehmen über 7.000 Arbeiter:innen.7

2009 allerdings ging die Ära Karmann als eigenständiger Autobauer zu Ende. Die Finanzkrise verschärfte die finanzielle Situation des Unternehmens, das sich vergeblich um Aufträge bemühte und letztendlich 2010 wegen Insolvenz aufgelöst wurde. Die technische Entwicklung von Karmann wurde Ende 2010 von Volkswagen übernommen.8

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Inhaltlich verantwortlich: Janine Wasmuth

1 Vgl. Wiersch, Bernd: Die Karmann-Story. Haute Couture aus Osnabrück. o.O. 2015, S. 24; Wilhelm Karmann GmbH (Hrsg.): 100 Jahre Karmann. Eine Erfolgsgeschichte. Osnabrück 2001, S. 15 f.
2 Vgl. Wilhelm Karmann GmbH (Hrsg.) 2001, S. 19; Zur Verortung der Betriebe I-IV siehe: Adressbuch der Stadt Osnabrück 1938/39, S. 243.
3 Vgl. Wilhelm Karmann GmbH (Hg.) 2001, S. 19.
4 Vgl. ebd., S. S. 20 u. 46.
5 Vgl. ebd., S. 20.
6 Vgl. Gausmann, Gustav: Entwicklung der Fahrzeugfabrik Karmann. 17. Fortsetzung. In: Karmann-Post. H. 18 (Januar-März 1961), S. 4; Ebd.: Entwicklung der Fahrzeugfabrik Karmann. 19. Fortsetzung. In: Karmann-Post. H. 23 (April-Juni 1962), S. 3; Ebd.: Entwicklung der Fahrzeugfabrik Karmann. 21. Fortsetzung. In: Karmann-Post. H. 26 (Januar-März 1963), S. 3.
7 Vgl. Wilhelm Karmann GmbH (Hg.) 2001, S. 12.
8 Vgl. o.V. (NDR  [Website]): Karmann und der Ghia: Vom Ruhm und Untergang einer Kult-Ära, 9.4.2021, online abrufbar unter: https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Karmann-und-der-Ghia-Geschichte-einer-Kult-Aera,karmann414.html, zuletzt abgerufen am 01.11.2022.