Bau und Nachnutzung von Baracken (1942 bis 1976)

Im Juli 1942 unterrichtete die Firma Kromschröder die Stadt Osnabrück von ihrem Vorhaben, ein Barackenlager für Kriegsgefangene an der Jahn- und Auguststraße zu errichten, damit die Firma Zwangsarbeiter:innen beschäftigen könne.1 Das Gelände von Kromschröder, auf dem die Baracken errichtet werden sollten, befand sich in unmittelbarer Nähe des Firmengeländes von Karmann an der Weidenstraße. In zwei Archivakten über Grundstücksangelegenheiten der Firma Kromschröder, die die Weiden-, Jahn-, August- und Adolfstraße betreffen, kann der Transformationsprozess des Zwangsarbeiter:innenlagers nachvollzogen werden.2

Skizze eines Lageplans der Baracken auf dem Grundstück Karmann/Kromschröder vom 15.7.1943

Skizze angefertigt nach einem Lageplan der Baracken auf dem Grundstück Karmann/Kromschröder vom 15.7.1943. (Quelle: NLA Osnabrück, Dep. 119, Akz. 2006/049 Nr. 130)

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich ein Streit um die Nutzungsrechte der Baracken. Hieran waren die Firmen Kromschröder und Karmann sowie die Stadt Osnabrück beteiligt. Die Baracken, die sich im Westen des Geländes befanden, gehörten zur Firma Karmann, die das dazugehörige Grundstück von Kromschröder gepachtet hatte. Fünf der Baracken wurden von Karmann jedoch an die Stadt Osnabrück verkauft und gehörten dieser spätestens ab 1946. Die Stadt nutzte die Baracken, um die nach dem Zweiten Weltkrieg herrschende enorme Wohnungsnot zu bekämpfen.3

Aus den Archivakten geht hervor, dass die beiden Firmen ab 1946 im intensiven Austausch miteinander und mit der Stadt Osnabrück standen. Beide Firmen waren produktionstechnisch sehr ausgelastet und benötigten die Baracken dringend für die Unterbringung von Arbeitskräften und/oder als Lager- und Produktionsräume.4 Die Firmen waren einem starken Handlungsdruck ausgesetzt, da das Arbeitsamt Osnabrück eine Anstellung von dringend benötigten ausländischen Arbeitskräften, die nicht bereits in Osnabrück wohnten, nur gewährte, sofern die Firmen deren Unterbringung sicherstellen konnten.5

Kreuzung Weidenstraße - Auguststraße heute

Auf dem geteilten Firmengelände befinden sich heute Mehrfamilienhäuser. (Quelle: Ron Wilke / NGHM Universität Osnabrück)

Um das eigene Gelände nutzen zu können, forderte Kromschröder die Stadt Osnabrück bereits im Oktober 1951 auf, die Baracken zu räumen und berief sich auf ein vierteljährliches Kündigungsrecht des Pachtvertrages.6 Die Stadt hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch 24 Familien bzw. über 100 Personen dort untergebracht und konnte den Forderungen nicht nachkommen. Dennoch wurde seitens der Stadt ein Bemühen angekündigt, die Baracken bis zum 31. März 1952 zu räumen.7 Ein schleppender Wohnungsbau innerhalb Osnabrücks sorgte jedoch dafür, dass der Termin immer wieder verschoben wurde.8 Mit Blick auf die Erklärungsversuche der Stadt gegenüber Kromschröder fällt auf, dass sich bisweilen sehr herabwürdigend über die beherbergten Familien geäußert wurde. Im April 1953 schrieb der Vertreter des Oberstadtdirektors: „Die Unterbringung [...] ist nur in den zurzeit im Bau befindlichen Schlichtbauten möglich, da es sich fast ausnahmslos um Familien handelt, die für den privaten Hausbesitz nicht zumutbar sind."9

Letztendlich wurde selbst im März 1956 noch immer eine der Baracken von der Stadt belegt. Die zahlreichen Briefwechsel und die Dauer der Korrespondenz illustrieren die Brisanz des Wohnungsmangels zu dieser Zeit in Osnabrück.10 Wann genau die Baracken der Stadt wieder auf Kromschröder übergingen, ließ sich bisher nicht ermitteln. Im Jahr 1975 forderte die Stadt von der Firma Kromschröder, die Baracken abzureißen.11 Mindestens bis zum Jahr 1976 nutzte Kromschröder die Baracken weiter als Lager- und Produktionsstätte für ihre Landmaschinenproduktion.12

Die Firma Karmann nutzte ihre nicht an die Stadt verkauften Baracken auf dem gepachteten Gelände Jahnstraße/Auguststraße mindestens bis ins Jahr 1952 als Ledigenheim für ihre Werksangehörigen.13 Bereits am 8. November 1951 hatte die Firma Kromschröder die Firma Karmann dazu aufgefordert, diese bis zum Frühjahr 1952 zu räumen, da man das Gelände zur Ausdehnung des Fabrikationsbetriebes benötige.14 Diese Forderung war für die Firma Karmann aufgrund der Wohnungsnot in Osnabrück schwer zu erfüllen. Noch im Juni 1952 war man mit dem Vorgang beschäftigt, teilte der Firma Kromschröder jedoch mit, die "Werksangehörigen bis Ende August anderweitig unterzubringen"15. Ab wann genau die Baracken wieder von Kromschröder genutzt wurden, ließ sich allerdings nicht klären, da die Dokumentation der rechtlichen Aushandlungen in den vorliegenden Quellen abreißt, bevor eine endgültige Einigung erzielt wurde.

                                                                                   

Inhaltlich verantwortlich: Ron Wilke

1 Vgl. NLA OS, Dep. 119, Akz. 2006/49 Nr. 127. Grundstücksangelegenheiten Kromschröder. Jahnstr. Auguststr. Adolfstr. (1942-1977): Tagung über die vorläufigen und endgültigen Straßenbaukosten zwischen G. Kromschröder und der Stadt Osnabrück. 03.07.1942.
2 Vgl. NLA OS, Dep. 119, Akz. 2006/49 Nr. 127; vgl. NLA OS, Dep 119, Akz. 2006/049 Nr. 130. Grundstücksangelegenheiten Kromschröder, Jahnstr. Weidenstr. (1948-1974).
3 Vgl. ebd. Schreiben der Firma Karmann an die Firma Kromschröder. 8.4.1946.
4 Vgl. ebd. Brief von Kromschröder an die Stadtverwaltung Osnabrück. 10.10.51.; vgl. ebd. Brief der Firma Karmann an den Oberstadtdirektor Osnabrück Abteilung Bauamt. 07.6.1948.
5 Vgl. NLA OS, Dep. 119, Akz. 2006/049 Nr. 130: Brief der Firma Karmann das 16. Quartering Office. 22. Juni 1948.
6 Vgl. NLA OS, Dep. 119, Akz. 2006/49 Nr. 127: Brief von Kromschröder an die Stadtverwaltung. 10.10.51.
7 Vgl. ebd. Protokoll der Besprechung zwischen der Stadt Osnabrück und der Firma Kromschröder. 11.10.1951.
8 Vgl. ebd. Brief der Stadt Osnabrück an die Firma Kromschröder. 29.02.1956.
9 Ebd. Korrespondenz zwischen dem Vertreter des Oberstadtdirektors und der Kromschröder AG. 21.04.1953.
10 Vgl. ebd. Brief der Firma Kromschröder an die Stadt Osnabrück. 23.2.1953.
11 Vgl. ebd. Brief der Firma Kromschröder an die Stadt Osnabrück. 19.3.1976.
12 Vgl. NLA OS, Dep. 119, Akz. 2006/049 Nr. 130: Brief der Firma Kromschröder an die Stadtverwaltung Osnabrück. 23.05.1974.
13 Vgl. NLA Os, Dep. 119, Akz. 2006/49 Nr. 127: Brief der Firma Karmann an die Firma Kromschröder. 24.6.1952.
14 Vgl. ebd. Brief der Firma Kromschröder an die Firma Karmann. 08.11.1951.
15 Vgl. ebd. Brief von Wilhelm Karmann an die Firma Kromschröder. 24.6.1952.