Die Lebensbedingungen im "Gemeinschaftslager Martini"

Schreiben des Oberbürgermeisters aus Osnabrück über ärztliche Versorgung der "Ostarbeiter und - arbeiterinnen"

Schreiben des Osnabrücker Oberbürgermeisters an den Regierungspräsidenten in Osnabrück über die ärztliche Versorgung von Zwangsarbeiter:innen (13.2.1943). (Quelle: NLA OS, Rep. 430, Dez. 303 Akz. 19/56 Nr. 230)

Die mangelhafte ärztliche Versorgung innerhalb des Lagers "Martini" wird anhand eines Schreibens des Osnabrücker Oberbürgermeisters an den Regierungspräsidenten in Osnabrück vom 13. Februar 1943 deutlich. Dem Schreiben ist zu entnehmen, dass lediglich "eine sowiet-russische Ärztin und 2 Feldscherinnen" für die Versorgung von Zwangsarbeiter:innen aus mindestens vier Betrieben zuständig waren. Die Ärztin erhielt jede Woche lediglich eine bis höchstens fünf Stunden pro Betrieb für ihre Sprechstunde.2 Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Firma Karmann allein im Lager "Martini" 1944 mindestens 425 Zwangsarbeiter:innen untergebracht hatte.3 Einen genauen Blick auf den grausamen Umgang mit den Zwangsarbeiter:innen bietet wiederum ein Brief des Regierungspräsidenten an den Oberbürgermeister. In diesem berichtete der Regierungspräsident von seinem Besuch im Lager "Martini" vom 17.3.1944.

Bericht des Regierungspräsidenten Rodenberg aus Osnabrück über die hygienischen Zustände im Lager an der Martinistraße

Bericht des Regierungspräsidenten in Osnabrück an den Osnabrücker Oberbürgermeister über die hygienischen Zustände im Lager an der Martinistraße (17.3.1944). (Quelle: NLA OS, Rep. 430, Dez. 303 Akz. 19/56 Nr. 230)

Hierbei stellte er fest, dass das Lager nicht den Anforderungen der Lagerverordnung vom 14. Juli 1943 entsprach. Diese gab vor, dass bei einer Belegschaft wie im Lager "Martini" mindestens 17 Krankenbetten zur Verfügung stehen müssten. Zusätzlich hätte es Räume mit getrennten Eingängen geben müssen, um Patient:innen mit ansteckenden Krankheiten sicher behandeln zu können. Das Krankenrevier bot jedoch lediglich Platz für sieben Betten und war mit zehn Betten bzw. Patient:innen bereits "stark überbelegt".4 Des Weiteren steht im Bericht, dass der "Lagerführer"5 die Errichtung einer Baracke für Tuberkulosepatient:innen beantragt hatte. Der Errichtung einer angemessenen Baracke wollte der Regierungspräsident jedoch erst nachkommen, nachdem das Krankenrevier in einen ordnungsgemäßen Zustand gebracht würde. Er ging davon aus, dass dies den Bedarf an Isolierbetten decken müsste.6 Letztendlich wird in dem Bericht deutlich, dass sich der Regierungspräsident wohl höchstens oberflächlich mit dem Problem der Gesundheitsversorgung im Lager auseinandersetzte. Das Schreiben mag zwar den Eindruck vermitteln, dass er durchaus einen gewissen Handlungsbedarf sah, auf diesen reagierte er jedoch nur mit ungenügenden Maßnahmen.

Dass im Lager "Martini" die Lagerordnung vom 14. Juli 1943 nicht umgesetzt wurde, belegt, dass selbst die geringsten eigenen Ansprüche an einen vermeintlich humanitären Umgang mit sowjetischen Zwangsarbeiter:innen von den Nationalsozialisten gebrochen wurden.

Ab Februar 1944 kam es im Lager zu mehreren Tuberkuloseausbrüchen, denen die gesundheitliche Versorgung im Lager kaum etwas entgegensetzen konnte. Auch das überforderte Osnabrücker Stadtkrankenhaus und das Marienhospital behandelten die erkrankten Zwangsarbeiter:innen nicht, sodass diese vielfach unversorgt blieben.7

                                        

Inhaltlich verantwortlich: Ron Wilke

1 NLA OS, Rep. 430, Dez. 303 Akz. 19/56 Nr. 230: Hygienische Betreuung ausländischer Zwangsarbeiter (1942/44): Schreiben an den Regierungspräsidenten. 13.2.1943.
2 Vgl. ebd. 
3 Vgl. NLA OS, Rep. 430, Dez. 303 Akz. 19/56 Nr. 230: Liste der Ausländerlager im Stadtkreis Osnabrück.
4 Vgl. NLA OS, Rep. 430, Dez. 303 Akz. 19/56 Nr. 230: Schreiben des Regierungspräsidenten an den Oberbürgermeister. 17.3.1944.
5 Vgl. NLA OS, Rep. 430, Dez. 303 Akz. 19/56 Nr. 230: Schreiben des Regierungspräsidenten an den Oberbürgermeister. 17.3.1944.
6 Vgl. ebd.
7 Vgl. Steinwascher, Gerd: Die Geschichte der Stadt Osnabrück. Osnabrück 2006, S. 752.