Spanisches Gemeinde- und Vereinsleben*

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Gründung des Spanischen Elternvereins in Anwesenheit des spanischen Botschafters, 1968. (Quelle: Privatarchiv Zeitzeuge A).

Im westdeutschen Vergleich zeigte sich bei den spanischen Arbeitsmigrant:innen – nach denen aus Italien – die zweithöchste Rückwanderungsquote.1 Trotz der vielfachen Rückkehrabsichten etablierten sich dennoch bereits im Laufe der 1960er Jahre die ersten größeren migrantischen Selbstorganisationen in der Bundesrepublik.

Unterstützt durch die Auslandsvertretungen der spanischen Regierung bzw. die spanische Auswanderungsbehörde ("Instituto Español de Emigración“ (IEE)) wurden zunächst spanische Elternvereine und sogenannte, direkt einem IEE-Beamten unterstellte Casas de España ("Spanische Häuser") gegründet. Diese dienten einerseits dem Zweck, den Arbeitsmigrant:innen sowie ihren Angehörigen bei administrativen Angelegenheiten im Aufnahmeort zu helfen. Andererseits sollten die Vereine die Pflege der "heimischen"2 Kultur sichern und diese gleichzeitig für die Aufnahmegesellschaft öffnen. Die Casas de España dienten als Büro, Restaurant, Bibliothek, als Saal für Vorführungen, Versammlungen und Spiele.3

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Ein Bericht über die Gründung der Casa de España in Osnabrück. (Quelle: O.V.: Spanierzentrum in Osnabrück eröffnet. In: Karmann-Post. H. 33 (1964), S. 37)

Diese Prozesse spiegelten sich auch in Osnabrück wider. Der hiesigen spanischen Gemeinde wurde ab 1964 die Möglichkeit geboten, in der Casa de España (damals am Goethering 34) Medien in ihrer Muttersprache zu konsumieren und kulturelle Angebote zu entwickeln. Der Elternverein hatte dagegen die Funktion, sowohl die Bildungschancen der Nachkomm:innen in den deutschen Schulen einzufordern als auch den Erhalt der spanischen Sprache zu sichern.4

Letzteres fand zumeist über die von der Caritas sowie der katholischen Kirche aus dem Ausland verpflichteten Geistlichen statt, welche also neben dem Gemeindegottesdienst an den Sonntagen auch Teile der muttersprachlichen Erziehung der Kinder übernahmen.5 Nach der Ablösung der Franco-Diktatur in Spanien konnte die Casa nicht mehr selbstständig ihren Aufgaben nachgehen und wurde 1980 vom Elternverein übernommen.6

Einen ebenfalls wichtigen Teil des Zusammenlebens stellten die Sportvereine dar. Das wohl prominenteste Osnabrücker Beispiel hierfür ist dabei der Fußballverein SC Los Gallegos, welcher 1975 als e.V. den Spielbetrieb aufnahm. Obwohl auch dieser Verein durch die Casa de España ins Leben gerufen und unterstützt wurde, demonstriert der Name "Los Gallegos" ("die Gallicier") auch die kulturelle Diversität und die Bedeutung regionaler Identitäten innerhalb der spanischen Gemeinde.7

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Vereinsemblem des ehemaligen Club Español Hesselkamp aus dem Jubiläumsjahr 1996 (Quelle: Privatarchiv Zeitzeuge A)

Zeitzeuge C über den Club Hesselkamp.

Ein weiteres Beispiel ist der bereits 1966 von spanischen Arbeitsmigrant:innen selbständig gegründete Club Español Hesselkamp. Dieser entwickelte sich vom Fußball- zum Kultur- und Tanzverein, der in der Liebigstraße ein Restaurant unterhielt, aus dessen Einnahmen die diversen Aktivitäten finanziert wurden. Ebenso wird der Club La Amistad erwähnt, zu dem jedoch weitere Informationen fehlen.8

Die besonders seit der Jahrtausendwende abnehmende Aktivität der spanischen Kultur- und Sportvereine, aber auch der Religions- und Bildungsinstitutionen fußt auf verschiedenen Entwicklungen:

So ließ etwa der negative Wanderungssaldo seit dem Anwerbestopp die Zahlen tatsächlicher sowie potenzieller Mitglieder und auch derjenigen Mitglieder stetig sinken, die bereit waren, Verantwortung zu übernehmen. Die Bildungserfolge der Folgegenerationen9 und die zunehmende strukturelle Integration ließen zudem die besondere Schutzbedürftigkeit durch die Migrant:innenorganisationen abnehmen.

Allerdings verlief der Etablierungsprozess der spanischen Gemeinde in Osnabrück nicht nur in Harmonie mit der Mehrheitsgesellschaft. Insbesondere im Falle der Arbeitslosigkeit standen die ausländischen Arbeitnehmer:innen den deutschen Behörden oft schutzlos gegenüber und Ausweisungen erfolgten ohne das Einschreiten einer Ausländervertretung.

Zeitzeuge A über die Ausländervertretungen.

Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm "Guten Morgen, Kollega...": Recaredo Garcia-Veiga und Julio Molina Rodríguez berichten über organisierte Freizeittätigkeiten und migrantische Vereinsstrukturen. (Quelle: Krzysztof Jaros)

Um die Migrant:innen hiervor zu schützen, bildete sich, wie der Zeitzeuge A berichtet, in Osnabrück 1971/72 der Beirat für Fragen ausländischer Arbeitnehmer. In seiner ersten Dekade wurden die Mitglieder durch Parteien, Gewerkschaften sowie weitere Organisationen berufen. 1983 konnte die Besetzung dann nach anhaltender Kritik demokratisch durch die Migrant:innen selbst gewählt werden.10

Nach der Gründung des Beirats für Fragen ausländischer Arbeitnehmer auf städtischer Ebene bildete sich später auf Landesebene die Arbeitsgemeinschaft Kommunaler Ausländervertretungen Niedersachsen. Dieses Organ bestand aus lokalen Vertreter:innen der jeweiligen Nationalitäten. Durch einen Zusammenschluss der Landesvertretungen zu einer Bundesarbeitsgemeinscht 1976 in Wiesbaden wurde die Sichtbarkeit der Problematiken auch auf Bundesebene gefördert.11

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Inhaltlich verantwortlich: Timo Remme

* Dieses Kapitel wird sich aufgrund der durch das Zeitzeugeninterview gewonnenen Perspektive sowie der quantitativen Bedeutung, welche die spanischen Migrant:innen in Osnabrück besaßen, explizit mit  dem Vereins- und Gemeindeleben der Spanier:innen in Osnabrück beschäftigen. Dabei sei daraufhingewiesen, dass Mitglieder anderer migrantischer Gemeinschaften ähnliche Strukturen entwickelten, die bspw. im Beirat für Fragen ausländischer Arbeitnehmer zusammentrafen. 
1 Vgl. Muñoz Sánchez, Antonio: Una introducción a la historia de la emigración española en la República Federal de Alemania (1960-1980). In: Iberoamericana. Bd. 46 (2012), S. 23-42, hier S. 32. Für weiterführende Informationen zum Thema der Rückwanderung nach Spanien siehe bspw. Sanz Díaz, Carlos: Emigración de retorno desde Alemania y política migratoria durante el franquismo. 1960-1975. In: Anales de Historia Contemporánea. Bd. 24 (2008), S. 361-380.
2 Aufgrund der großen kulturellen Diversität innerhalb Spaniens sind verallgemeinernde Ausdrücke prinzipiell zu hinterfragen.
3 Vgl. Sanz Díaz, Carlos: Las movilizaciones de los emigrantes españoles en Alemania bajo el franquismo. Protesta política y reivindicación sociolaboral. In: Migraciones y Exilios. Bd. 7 (2006), S. 51-80, hier S. 53-55; vgl. Kreienbrink, Axel: Auswanderungslenkung und "asistencia al emigrante". Das Instituto Español de Emigración im franquistischen Spanien. In: Oltmer, Jochen; Kreienbrink, Axel; Sanz Díaz, Carlos (Hrsg.): Das "Gastarbeiter"-System. Arbeitsmigration und ihre Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa. München 2012, S. 111 f.; vgl. Martínez Calero, Mercedes; Rohloff, Sigurður A.: Bürgerschaftliches Engagement und Bildungserfolg. Spanische MigrantInnen der ersten Generation und ihre Nachkommen in Deutschland. Wiesbaden 2016, S. 125 ff.
4 Vgl. Zumloh, Tim: Auslandserfahrung: Internationalismus und Immigration. In: Wolf, Reiner; Schulze, Heiko (Hrsg.): Aufbruch und Krise. Osnabrück in den 70er Jahren 2020, S. 71-85, hier S. 78.
5 Vgl. Thränhardt, Dietrich; Winterhagen, Jenni: Der Einfluss der katholischen Migrantengemeinden auf die Integration südeuropäischer Einwanderergruppen in Deutschland. In: Oltmer, Jochen; Kreienbrink, Axel; Sanz Díaz, Carlos (Hrsg.): Das "Gastarbeiter"-System. Arbeitsmigration und ihre Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa. München 2012, S. 199-215, hier S. 199-201 u. 206-208.
6 Vgl. NLA OS, Dep 3 c, Akz. 2019/75 Nr. 2: Niederschrift über die Sitzung des Beirates für Fragen ausländischer Arbeitnehmer. 25. Juli 1980.
7 Der Name Gallego bezieht sich auf die nordwestliche Region Spaniens, Galizien, welche insbesondere durch die Städte Vigo und Santiago de Compostela bekannt ist. Wie weitere Regionen des Landes ist auch Galizien durch eine eigene Sprache, das Galicische sowie kulturelle Eigenheiten geprägt, die auch nach außen getragen werden.
8 NLA OS, Dep 3 c, Akz. 2019/75 Nr.1: Beirat für Fragen der Ausländischen Arbeitnehmer. 08.10.1974.
9 Vgl. Thränhardt; Winterhagen 2012, S. 212 f.
10 Vgl. Zumloh 2020, S. 80 f.
11 Vgl. Molina Rodríguez, Julio: „Als ich ankam, war ich wie nackt“. In: Wolf, Reiner; Schulze, Heiko (Hrsg.): Aufbruch und Krise. Osnabrück in den 70er Jahren 2020, S. 86.