Die massenhafte Verschleppung von Zwangsarbeiter:innen nach Osnabrück

Spätestens 1941 war zu erkennen, dass der von der deutschen Führung geplante schnelle Sieg über die Sowjetunion nicht eintreten würde. Kriegswirtschaft, stetige Einberufung neuer Soldaten in die Wehrmacht durch Ausweitung der einzuberufenden Geburtsjahrgänge und die Bombardierung der Städte verschärften indes zunehmend die wirtschaftliche Not und den Arbeitskräftemangel im "Deutschen Reich".1 In Osnabrück wurden bis zum Februar 1942 ca. 26 % der männlichen Beschäftigten in die Wehrmacht einberufen. Insgesamt gab es im Mai 1943 nur noch 13.440 deutsche männliche Beschäftigte in der Stadt.2

Um auf den Arbeitskräftemangel zu reagieren, entschied die nationalsozialistische Führung, eine große Zahl von Arbeitskräften aus den eroberten Gebieten, vor allem aus Osteuropa, zu verschleppen. Lag die Zahl der eingesetzten Zwangsarbeiter:innen im "Deutschen Reich" im Jahr 1939 noch bei 300.000, wurde sie bis zum Jahr 1944 auf 7.800.000 ausgeweitet.3

Liste der "Ausländerlager" im Stadtkreis Osnabrück

Liste der Zwangsarbeiter:innenlager im Stadtkreis Osnabrück. (Quelle: NLA OS, Rep. 430, Dez. 303 Akz. 19/56 Nr. 230.)

In der Stadt Osnabrück setzte annähernd jeder Betrieb Zwangsarbeiter:innen ein. Neben der Stadtverwaltung und der Reichsbahn waren die großen Unternehmen die größten Profiteure der Zwangsarbeit. Die Klöckner Werke AG, die Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerke mit den Teuto-Metallwerken und die in dieser Ausstellung betrachtete Automobil- und Karosseriebaufirma Karmann beschäftigten im November 1944 40.037 Ausländer:innen und Kriegsgefangene.4

Unter den großen Industriebetrieben in Osnabrück lag nur bei der Gasmesserfabrik Kromschröder, die in dieser Ausstellung ebenfalls näher beleuchtet wird, der Anteil von Zwangsarbeiter:innen innerhalb der Belegschaft bei unter 25 %.5 Bei Karmann machten  sowjetische Zwangsarbeiterinnen 60 % der Belegschaft aus.6

Sowjetische Zwangsarbeiterinnen im Lager von Kromschröder am Jahnplatz

Foto von sowjetischen Zwangsarbeiterinnen im Lager Jahnplatz der Firma Kromschröder. Im Hintergrund ist das Dach einer Baracke aus einem Lager der Firma Karmann zu sehen. (Quelle: Sammlung der Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht)

Vor diesem Hintergrund entstand in Osnabrück ein Netz aus verschiedenen Lagern,7 deren Träger die Betriebe selbst, die Stadtverwaltung, die Reichsbahn oder die Deutsche Arbeitsfront (DAF) sein konnten.8 Die meisten Lager wurden von den Betrieben selbst errichtet, denn für die Zuweisung der begehrten billigen Zwangsarbeiter:innen durch das Arbeitsamt musste eine Unterbringungsmöglichkeit nachgewiesen werden.9

Im Arbeitsamtsbezirk Osnabrück waren im August 1944 sowjetische Staatsangehörige mit 11.646 Personen die mit Abstand größte Gruppe unter den Zwangsarbeiter:innen. Vor allem Menschen aus der Ukraine, Belarus und Russland waren in das "Reichsgebiet" verschleppt worden.10

Aufgrund der unterschiedlich gearteten Lebens- und Arbeitsbedingungen innerhalb der Osnabrücker Lagerlandschaft ereilten die vielen Zwangsarbeiter:innen unterschiedliche Schicksale: In den Außenkommandos der Konzentrationslager und in den Arbeitskommandos für sowjetische Kriegsgefangene war die Sterblichkeit besonders hoch.11 Ebenso wurden die Lager der großen Rüstungsbetriebe von den Insass:innen als sehr grausam beschrieben. So ordnete etwa der Leiter des Ostarbeiter:innenlagers von Karmann an der Auguststraße bei "Fehlverhalten" gewalttätige Strafen, Essensentzug oder Ausgangssperren an.12

                                                  

Inhaltlich verantwortlich: Kathrin Plüster und Ron Wilke

1 Vgl. Gander, Michael: Zwangsarbeiter unter dem Nationalsozialismus in Osnabrück. Ihr Schicksal in eigener Erinnerung und im Gedächtnis Osnabrücker Zeitzeugen. In:  Osnabrücker Jahrbuch. H. 10 (2003), S. 121-136, hier S. 122.
2 Vgl. Steinwascher, Gerd: Die Geschichte der Stadt Osnabrück. Osnabrück 2006, S. 749.
3 Vgl. Gander 2003, S. 122.
4 Vgl. Gander, Michael: Lagerwesen und Zwangsarbeit in Osnabrück. Die Lager für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkrieges. In: Heese, Thorsten (Hrsg.): Topografien des Terrors. Nationalsozialismus in Osnabrück. Osnabrück 2015, S. 324-352, hier S. 327.
5 Vgl. Steinwascher 2006, S. 750 f.
6 Vgl. Gander 2003, S. 126.
7 Vgl. Gander 2015, S. 325.
8 Vgl. Gander 2003, S. 751.
9 Vgl. ebd., S. 750.
10 Gander 2015, S. 326 f.
11 Vgl. ebd., S. 330.
12 Vgl. Gander 2003, S. 129 f.