Leben der Osnabrücker Sinti & Roma in der „Papenhütte“

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Maria Imker mit ihren Töchtern Gertrud (links) und Adelheid (unten), vermutlich 1943

Die Geschichte der „Papenhütte“ ist eng mit den Biografien der dort ansässigen Sinti und Roma verknüpft. Obwohl das Leben der Sinti und Roma in Deutschland seit ihrer Ankunft im 15. Jahrhundert von schlimmster Diskriminierung, Ausgrenzung sowie Stigmatisierung im Kontext von xenophoben Vorurteilen und abwertenden Bezeichnungen als „Zigeuner“ geprägt war, schuf die Herrschaft der Nationalsozialisten neue Dimensionen der Grausamkeit. Sinti und Roma wurden in den 1930er Jahren ähnlich wie als „asozial“ bezeichnete Menschengruppen ausgegrenzt, aber hinzu kamen Diskriminierung und Verfolgung aus rassistischen Beweggründen. 

Auch in Osnabrück beeinflusste die staatliche Diskriminerung durch Behörden und Polizei und die soziale Diskriminierung in Schule, am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit den Alltag der Osnabrücker Sinti und Roma massiv. Berechnungen zufolge lebten in den 1930ern rund 160 Sinti und 50 Roma in Osnabrück. Ein großer Anteil der Osnabrücker Sinti lebte in diesem Zeitraum in der Papenhütte, die somit als Beispiel „wohnräumlicher sozialer Ausgrenzung“ betrachtet werden kann.Obwohl nur eindeutig belegt werden kann, dass Sinti in der Papenhütte ansässig waren, kann aufgrund der Tatsache, dass in vielen zeitgenössichen Akten nur die abwertende Bezeichnung "Zigeuner" benutzt wurde, welche sich sowohl auf Sinti als auch auf Roma bezog, nicht ausgeschlossen werden, dass ebenfalls Roma zu den Bewohnern der Papenhütte zählten. 

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An der Papenhütte und Oldenburger Straße im Stadtplan

Unter den Sinti in der Papenhütte befand sich die Familie Imker, die zunächst ein selbstgebautes Holzhaus bewohnte und anschließend erst in der „Oldenburger Straße 2 & 4“ (1934-38) und dann in der „Papenhütte 13“ (1941) gemeldet war. Wilhelm Imker, der Vater der Familie, wurde am 24. Dezember 1906 in Belgien geboren und heiratete später seine aus Braunschweig stammende Frau Maria (*30.12.1907, geb. Christ). Aus dieser Ehe entstanden vier Kinder: Getrud Imker (*24.03.1932), Arthur Imker (*1936), Adelheid Imker (*10.07.1938) und Konstantin Imker (*12/17.04.1942).

Wie der Großteil der Osnabrücker Sinti und Roma wurde die Familie Imker am 1. März 1943 verhaftet, enteignet und deportiert. Obwohl sich Maria Imker und ihre Töchter zunächst der Verhaftung entziehen konnten, da sie sich bei Arthur im Krankenhaus befanden, wurden sie kurz darauf ebenfalls festgenommen und nach Auschwitz deportiert. Nur der Sohn Arthur blieb in Osnabrück zurück. In den Dokumenten zur Deportation werden viele weitere Osnabrücker Sinti und Roma Familien genannt, an sie wird ebenfalls durch Stolpersteine am ehemaligen Gelände der „Papenhütte“erinnert.

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Transportliste der von Osnabrück nach Auschwitz deportierten Sinti, datiert auf den 4. März 1943

Die Ankunft von Wilhelm Imker und seinem Sohn Konstantin in Auschwitz wurde, nach einer Deportation über verschiedene norddeutsche Städte, schließlich am 5. März 1943 vermerkt. Wenige Wochen später starben zunächst Wilhelm am 30. März 1943 und darauffolgend sein Sohn Konstantin am 21. April 1943. Auch die Töchter, Adelheid und Getrud, überlebten die KZ-Haft in Ausschwitz nicht und wurden vermutlich ebenfalls im selben Jahr ermordet. Ihre Mutter Maria starb ein Jahr später, vermutlich Ende August aufgrund einer Erkrankung infolge der Haftbedingungen und Misshandlungen.

Die Grausamkeit dieser Deportationen und den folgenden Lebens- und Leidensgeschichten der Sinti und Roma wird auch durch die Tatsache deutlich, dass zu großen Teilen ganze Familien mitsamt Kleinkindern und Jugendlichen durch die Osnabrücker Gestapobeamte verhaftet und zur Vernichtung deportiert wurden wie im Fall der Familie Imker.

Heute erinnern in Osnabrück die Stolpersteine der Familie Imker und vieler weiterer Opfer und eine Gedenktafel am Rathausplatz an die Ermordung und Verschleppung der Osnabrücker Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten. In diesem Zusammenhang spielte die „Papenhütte“eine besondere Rolle der Ausgrenzung und Stigmatisierung.

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1 Cooper, Ducan/ Schubert, Michael: Soziale Ausgrenzung und rassistische Verfolgung, 2015, S. 318.