Die „Papenhütte“ in der Weimarer Republik
Das 1912 errichtete „Obdachlosenheim“ an der Oldenburger Straße 4 wurde in den Folgejahren immer weiter ausgebaut. Im Adressbuch aus dem Jahr 1919 finden sich unter den Adressen An der Papenhütte 23 und 25 die Familien Wöstemeyer und Harms in städtischen Unterkünften. Auf der anderen Straßenseite finden sich nun auch erstmals die Einträge An der Papenhütte 22 und 24, die sich aber weder zu diesem Zeitpunkt noch in den Folgejahren in städtischer Hand, sondern in Privatbesitz befinden. Höchstwahrscheinlich handelt es sich hierbei um die „Alte Papenhütte“. In den Folgejahren wechseln z.T. die Bewohner:innen, es kommt aber nur 1925/26 ein Haus an der Oldenburger Straße 2 mit zwei „Plätzen“ hinzu.
Umfassende Erweiterungen Mitte der 1920er Jahre
In den Folgejahren zeigten sich auch in Osnabrück die Folgen des preußischen Erlasses 1925 zur forcierten Unterbringung Wohnungsloser in Behelfsunterkünften anstelle von regulären Wohnungen sowie der Trend zu geschlossenen Obdachlosensiedlungen am Stadtrand bzw. abseits der Wohngebiete anstelle dezentraler Unterbringung. Waren bis 1925 in der „Papenhütte“ in vier verschiedenen Häusern (Oldenburger Straße 2 und 4 sowie An der Papenhütte 23 und 25) insgesamt sechs Familien in kommunalen Unterkünften untergebracht, stieg diese Zahl ab 1926 sprunghaft an.
Bereits während der Weimarer Republik zeigten sich die wachsenden Vorurteile und zunehmende Kontrollmaßnahmen gegenüber „Zigeunern“, die in der preußischen „Zigeunerrazzia“ von 1927 einen vorläufigen Höhepunkt erreichten: in Osnabrück wurden 39 Bürger:innen, unter ihnen einige Bewohner:innen der „Papenhütte“, von der Polizei verdachtsunabhängig - nur weil sie „Zigeuner“ waren - festgenommen. Es wurden Fingerabdrücke genommen und den Verhafteten vor ihrer Freilassung Bescheinigungen ausgestellt, mit denen sie sich fortan jederzeit gegenüber staatlichen Behörden ausweisen mussten.
Die Bewohner:innenschaft am Ende der Weimarer Republik
Unmittelbar vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten in den Jahren 1932/33 gehörten 13 Häuser bzw. Baracken zum Komplex der „Papenhütte“(Oldenburger Straße 2, 4, 6 und 6a sowie An der Papenhütte 9, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23 und 25), in denen insgesamt 64 Einzelpersonen bzw. Familien lebten. Die Berufsbezeichnungen geben dabei eindeutige Hinweise auf die soziale Zugehörigkeit: Es dominieren Arbeiter und Handwerker, hinzu kommen mehrere Invaliden und Witwen sowie Händler.
Anmerkungen zu den Adressbucheinträgen:
Bei allen Gebäuden, die unmittelbar nach der Hausnummer entweder die mit „Stadt Osnabrück“ oder, falls bereits genannt, nur mit einen Strich (-) gekennzeichnet sind, handelt es sich um Obdachlosenunterkünfte des „Papenhütte-Komplexes“. Häuser ohne diese Bezeichnungen, also die Oldenburger Straße 9 (Werkswohnungen der Reichsbahn, einige Meter entfernt gelegen) sowie An der Papenhütte 1 (ebenfalls Reichsbahn), 22 und 24 („Alte Papenhütte“, in Privatbesitz, auf der anderen Straßenseite) gehören nicht dazu.
Abkürzungen in den Adressbüchern:
Arb. = Arbeiter; Wwe = Witwe; Inv. = Invalide; Maschmstr. = Maschinenmeister; Masch. = Maschinist; Händl. = Händler; Schloss. = Schlosser; Bau-/Möbeltischl. = Bau-/Böbeltischler; Maurerpol. = Maurerpolier; Kfm. = Kaufmann; Schuhm. = Schuhmacher; Kraftw.-F. = Kraftwagen-Fahrer.
Kontroverse: 1924 als „Gründungsjahr“ der „Papenhütte“?
In der Fachliteratur, in der vor Ort von der Stadt 2013 angebrachten Infotafel sowie in zahlreichen später entstandenen Quellen wie diesem Zeitungsbericht von 1953 wird gemeinhin 1923 bzw. 1924 als „Gründungsjahr“ der „Papenhütte“ angegeben. Warum, bleibt unklar, da die ersten Obdachlosenunterkünfte an dieser Stelle bereits 1911/12 sowie kleinere Erweiterung bereits in den Folgejahren entstehen.
Vermutlich wurden zwischen 1923 und 1925 die umfangreichen Erweiterungen der „Papenhütte“ beschlossen bzw. mit den Baumaßnahmen begonnen, die jedoch erst ab 1926 in den Adressbüchern sichtbar werden. Möglicherweise tritt durch diese umfassenden Erweiterungen das vorher kleine Obdachlosenheim an der Oldenburger Straße als große Barackensiedlung „Papenhütte“ Mitte der 1920er Jahre ins Bewusstsein und den Sprachgebrauch der Osnabrück Stadtgesellschaft.