Wohnungspolitik in der Weimarer Republik

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Schlafsaal in einem Berliner „Obdachlosen-Asyl“ 1924

Bereits im Kaiserreich bestand eine akute Wohnungsnot, die sich während des Ersten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit weiter verschärfte. Infolge der Hyperinflation und Wirtschaftskrise 1923/24 waren deutschlandweit die meisten Obdachlosenasyle voll belegt. Häufigste Ursache für den Wohnungsverlust von Familien waren Mietschulden. Teilweise übernahmen die Kommunen diese Schulden, um Wohnungslosigkeit zu vermeiden, waren hierzu aber finanziell zunehmend ab Mitte der 1920er Jahre nicht mehr in der Lage.

Wurden die Wohnungen von Familien aufgrund von Mietschulden zwangsgeräumt, wies die Polizei sie aus Gründen der „Gefahrenabwehr“ wieder in eine Wohnung ein, häufig in dieselbe, aus der sie unmittelbar vorher geräumt worden waren. Diese paradoxe Situation beeinträchtige natürlich das Rechtsempfinden der Bevölkerung: aufseiten der Vermieter, da sie sich ihrer Handhabe gegen säumige Mieter genommen sahen und aufseiten der Wohnungssuchenden, die trotz ihrer eigenen Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft keine Wohnung fanden, da in diesen einquartierte Mietschulder untergebracht waren. Dies führte dazu, dass 1925 der preußische Innenminister zusammen mit dem Wohlfahrtsminister die Polizei anwies, geräumte Mietschuldner:innen vor allem in Obdachlosenasylen und Baracken unterzubringen. Dieser Erlass wurde zwar später abgemildert, änderte aber die Unterbringungspraxis in Baracken kaum, da bezahlbarer Wohnraum schlicht fehlte.

Diesem Mangel begegneten die Kommunen mit der Errichtung von „Obdachlosen-Wohnungen“, auch „Hilfswohnungen“ genannt. Vonseiten der Politik wurde zwar für eine dezentrale Anlage der Wohnungen plädiert, um die Bildung sozialer Brennpunkte zu vermeiden. In der Praxis entstanden aber hauptsächlich kostengünstige, zusammenhängende Obdachlosensiedlungen, die auch polizeilich leichter zu überwachen waren. Sie lagen häufig außerhalb bestehender Wohngebiete, teilweise wurden auch Kasernen oder stillgelegte Industrieflächen nur notdürftig umgebaut. Anders als von den Kommunen beabsichtigt, richteten sich die meisten Familien dauerhaft in den Notunterkünften ein, da die Mieten billig und die Wohnungen trotz der minimalen Größe und Ausstattung häufig komfortabler als die heruntergekommenen Altbauten auf dem freien Wohnungsmarkt waren.

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Die Unterbringung in nur notdürftig errichtete und ausgestattete Baracken als „erzieherische Maßnahme“, hier eine Aufnahme aus der „Papenhütte“ 1953.

Auch in der Praxis der Obdachlosenunterbringung dominierte die Vorstellung, dass man die unterzubringenden Bürger:innen disziplinieren müsse, um die Ursache ihrer Bedürftigkeit, nämlich ihre vermeidliche Faulheit, zu bekämpfen. Aus „Erzieherischen Gründen“ hielten die meisten Städte deshalb ab Mitte der 1920er Unterkünfte verschiedener Qualität vor: hatten sich Bewohner:innen sozial adäquat verhalten und zahlten sie ihre Miete bzw. Nutzungsgebühr pünktlich, wurde dies mit Zuweisung einer besseren Obdachlosenwohnungen „belohnt“, Fehlverhalten dagegen durch die Einweisung in schlechtere Baracken sanktioniert.