Homosexuelle Menschen: Gerhard Möller
Die Geschichte der Kriminalisierung, Verfolgung und sozialen Exklusion von Menschen mit abweichender sexueller Orientierung ist lang. Mit Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches im Jahr 1872 kam vor allem die Verfolgung von homosexuellen Männern in Deutschland zu ihrem ersten juristischen Höhepunkt: Mit dem §175 des Strafgesetzbuches wurden sexuelle Handlungen zwischen zwei Männern unter Strafe gestellt.
Bis 1935 erfolgte eine Verurteilung unter diesem Paragraphen nur bei „beischlafähnlichen Handlungen“; unter nationalsozialistischer Herrschaft wurde der Paragraph verschärft und ausgeweitet. Laut §175a galt nun auch die „Verführung“ zur „Unzucht“ als Strafbestand, der mit „Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten“1 bestraft wurde.
Gerhard Möller, ein ehemaliger Bewohner der „Papenhütte“, wurde zu einem mutmaßlichen Opfer der systematischen Verfolgung homosexueller Männer während des Nationalsozialismus. Er wurde 1897 in Nahne geboren, trat der KPD bei, heiratete eine Frau und lebte bis mindestens Mitte 1936 in der Rudolfstraße 13. Die Umstände seines Umzugs in die „Papenhütte“, an die Oldenburger Straße 15, sind nicht näher bekannt. Im Juli 1939 wird Gerhard Möller aufgrund eines „Sittlichkeitsverbrechens“ vom Landgericht Osnabrück zu einer einjährigen Zuchthausstrafe verurteilt.
Nachdem er entlassen wurde, kam er zunächst in „Vorbeugehaft“ und wurde im Jahr 1940 in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingewiesen. Hier bekam er die Nummer „B.V. 175 Sitt. 26.209“2 – mit dieser Nummer wurde er sowohl als „Berufsverbrecher“ als auch als homosexueller Mann stigmatisiert. Eine Reintegration in die Gesellschaft war für ihn nicht vorgesehen. Ob es tatsächlich zu sexuellen Handlungen mit einem anderen Mann gekommen ist, oder ob die Gestapo einen „Anlass“ für seine Verhaftung suchte, wie Jan Weber in der Neuen Osnabrücker Zeitung vermutete,3 ist nicht zu rekonstruieren.
Im Konzentrationslager Sachsenhausen verstarb Möller nur kurze Zeit nach seiner Inhaftierung. Auf seiner Sterbeurkunde ist das Datum 28. Juli 1940 vermerkt, die Todesursache sei „Phlegmone“ gewesen; eine bakterielle Entzündung, die in Sterbeurkunden von KZ-Häftlingen sehr häufig als Todesursache angeführt wird. Die Vertuschung von Ermordungsaktionen unter dem Deckmantel einer „Entzündung“ ist wahrscheinlich. Möller hinterließ eine Frau und drei Kinder – ob und wie lange sie noch nach Möllers Tod in der „Papenhütte“ gelebt haben, ist ungeklärt. Dort, an seinem letzten festen Wohnsitz, erinnert heute ein Stolperstein an Gerhard Möller. Die Patenschaft übernimmt der Osnabrücker Verein „Gay in May“.
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1 Zinn, Volkskörper, S. 282.
2 Büro für Friedenskultur der Stadt Osnabrück, Familie Wilhelm Imker, Johann Osthoff, Gerhard Möller, in: Stolpersteine-Guide.
3 Weber, Tod im KZ statt Entlassung aus dem Zuchthaus.