Vom Obdachlosenheim zur „Asozialensiedlung“

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Luftaufnahme der „Papenhütte" aus dem Jahr 1935

Bereits seit Mitte der 1920er Jahre entwickelte sich die „Papenhütte“ von einem Obdachlosenheim zunächst zu einer „Barackensiedlung“. Nach Recherchen von Cooper und Schubert dürften 1925 oder 1926 zusätzliche Baracken in unmittelbarer Nähe des Obdachlosenheims in Osnabrück gebaut worden sein. 1933 und 1934 folgten zwei weitere.1 Auf einem Luftbild des Areals rund um die „Papenhütte“ aus dem Jahr 1935 wird sichtbar, wie die Siedlung innerhalb von knapp zehn Jahren gewachsen war: Lediglich die zwei Gebäude im rechten oberen Bereich des „Dreiecks“ bildeten das Obdachlosenheim. Die Gebäude ringsherum entstanden zwischen 1924 und 1934. 

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Brief des Vermessungsdirektors Petersen an den Regierungspräsidenten vom 9. Mai 1938

Spätestens seit 1938 verfolgte die Stadtverwaltung konkrete Pläne, die bestehende Siedlung an der „Papenhütte“ auszubauen und grundlegend zu verändern. Das äußere Erscheinungsbild der „Papenhütte“ spielte dabei eine besonders wichtige Rolle: „In erster Linie sind die Holzbaracken an der Papenhütte bei der Kläranlage zum Abbruch bestimmt; denn diese werden von den Reisenden der Bahnstrecke nach Rheine die u.a. sehr viele Ausländer benutzen, eingesehen und vermitteln einen ausserordentlich ungünstigen Eindruck von Deutschland im allgemeinen und von der Stadt Osnabrück im besonderen.“2 An Stelle der Baracken sollten „massive, einfache, aber im Äusseren ansprechende Häuser“3 treten, um Osnabrück „ordentlich“ erscheinen zu lassen. 

Kurz nach Beginn der Planungen im Mai 1938 begann die Stadt Osnabrück mit der Suche nach einem Kreditgeber. Da sich die Verwaltung zunächst weigerte, die volle Bürgschaft für ein Darlehen zu übernehmen, wandten sich viele Kreditgeber ab. Ihre Begründung:„bei einer Finanzierung von Wohnungen für Asoziale überschreitet das Risiko erheblich das für uns zulässige Maß.“4 Schlussendlich entschloss sich die Stadt Osnabrück dazu, den Ausbau der Siedlung selbst mit Hilfe der Sparkasse Osnabrück zu finanzieren.

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Karte der Gemarkung Osnabrück im Bereich des Wellmannskamps

Während sich die Stadtverwaltung im Abwicklungsprozess des Kaufs eines Grundstückes neben der „Papenhütte“ (Wellmannskamp) befand, begannen die konkreten Planungen für das Bauvorhaben. Auf dem bestehenden und im Frühjahr 1939 neu erworbenen Grundstück sollte Wohnraum für „80 asoziale Familien“ entstehen.5 Sieben „Wohnungsbaublöcke“, massiv und zweistöckig, sollten auf dem Gelände errichtet werden. Hinzu kamen ein Kindergarten, ein Spielplatz – und ein Aufseherhaus.

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Plan der Stadt Osnabrück zum Bau neuer Wohnungen an der „Papenhütte aus dem Jahr 1938

Ursprünglich sollte das Bauvorhaben noch im Jahr 1939 eingeleitet werden, doch es wurde mehrmals verschoben. Die Gründe für die mehrfache Verschiebung werden nicht aus Verwaltungsakten ersichtlich. Laut Cooper und Schubert hätten Finanzierungsprobleme und der Zweite Weltkrieg schlussendlich dazu geführt, dass das Vorhaben nie umgesetzt worden ist.6

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1 Cooper/Schubert, Anhaltende Ausgrenzung, S. 104f.
2 Vermessungsdirektor Peters am 09.05.1938 an Regierungspräsident betreffend des Erwerbs eines domänenfiskalischen Grundstücks an der Papenhütte, NLA OS Rep 430 Dez. 501 acc 8/65.
3 Ebd.
4 Brief der Firma Hinrich Wilhelm Kopf & Bohne an den Bürgermeister Petermann vom 3. August 1938, NLA OS Erw A 59 Akz. 2013/102 Nr. 3.
5 Schreiben des Oberbürgermeisters Gärtner aus dem April 1940, NLA OS Rep 430 Dez 108 acc 26/73 Nr. 490 Bd. 4.
6 Cooper/Schubert, Anhaltende Ausgrenzung, S. 109.