„Papenhütte“ und „Asozialität“ - Ihre Bewertung und Nutzung

Die Osnabrücker Barackensiedlung „Papenhütte“ kann nicht nur nach Cooper und Schubert als Ort der „wohnräumlichen Segregierung und sozialer Ausgrenzung“ bezeichnet werden,1 sondern ist bis in die Gegenwart negativ konnotiert und wird mit Vorstellungen der „Asozialität“, „Kriminalität“ und der „Unordnung“ in Verbindung gebracht. Diese negative Bewertung der „Papenhütte“ und ihrer Bewohner durch die Gesellschaft steht unter anderem mit ihrer Nutzung der Barackensiedlung als Unterkunft für Menschen, die in der restlichen Gesellschaft unerwünscht waren, in Verbindung. Dieser Gebrauch der „Papenhütte“ zur sozialen und räumlichen Ausgrenzung von Menschen, während des Nationalsozialismus, lässt sich ebenfalls in einigen zeitgenössischen Dokumenten wiederfinden.

So beispielsweise aus einem Tätigkeitsbericht der Schutzpolizei vom 13. November 1938. Hier wird deutlich, welche Rolle die „Papenhütte“ bei Prozessen der sozialen Exklusion spielte. In diesem Dokument wird beschrieben, wie die Wohnung der Osnabrücker Familien Laubinger und Kramme im Blumenhallerweg zwanghaft geräumt wurde und wie sie in das Gebiet der „Papenhütte“ umgesiedelt wurden.

Tätigkeitsbericht der Schutzpolizei, 13. November 1938

Transkription Schupo-Bericht.png

In diesem Zusammenhang gehen Cooper und Schubert in einer ihrer Untersuchungen zur Papenhütte und ihrer Bewohner, davon aus dass der Grund der Wohnungsräumung und Umsiedlung „Asozialität“ sei und dieses Vorgehen mit anderen Wohnungstäuschen zugunsten „anständiger“ Familien in Verbindung stehe.

Diese Vermutung stützt sich auf Erkenntnisse aus weiterführendem Aktenmaterial, welches einen Zeitungsartikel des Osnabrücker Tageblattes sowie ein Schreiben des damaligen Stadtrates H. zur Situation der damaligen Wohnungsfürsorge umfasst.2 

Dep 3b IV_S. 1.jpg

Schreiben des Stadtradt H. zur „Aufgabe und bisherigen Tätigkeit der Wohnungsfürsorge beim städt. Wohlfahrtsamt“

So zeigt das Schreiben auf der rechten Seite, das wahrscheinlich im Frühjahr 1939 entstand, inwiefern das Wohlfahrtsamt hinsichtlich der Wohnungsfürsorge tätig war und welche Kategorien dabei eine Rolle spielten. Bezeichnend ist in diesem Kontext, dass mehre Wohnungsräumungen und Umsiedlungen, oft durch einen sogenannten „Ringtausch“ durchgeführt wurden, um mehr Wohnraum für „förderungswürdige“ Familien zu schaffen.

In diesem Kontext wird ebenfalls beschrieben, dass durch diese Wohnungsräumungen im Jahr 1938, im Zusammenhang mit politischen Maßnahmen, die auf eine Fernhaltung und Ausgrenzung "asozialer" Menschen aus der Osnabrücker Gesellschaft abzielten, der Abriss vieler „das Stadtbild verunzierende[r] Baracken“ ermöglicht wurde, unter denen sich ebenfalls Baracken im Blumenhaller Weg befanden. Aufgrund des weiteren Entschlusses, dass „asoziale“ Familien in der Papenhütte, die zunächst weiterhin bestehen sollte, untergebracht werden sollten, wurden ebenfalls „ordentliche“ Familien aus der Papenhütte, die „aus irgend einem Grunde“ dort noch wohnten, umgesiedelt.4                                                                                                               
Ingesamt wurde festgehalten, dass zu diesem Zeitpunkt zwar nun 85 Familien an der Papenhütte und in der Oldenburgerstrasse lebten, aber von denen nur 9 Familien als "förderungswürdig" angesehen wurden und die restlichen 76 Familien als „asozial anzusprechen“ seien.5 Daran wird die gesellschaftliche Bewertung der Papenhütte und ihrer Bewohner, sowie die Nutzung des Ortes zur sozialen Exklusion von in der sonstigen Gesellschaft nicht erwünschten Menschen deutlich.

Schreiben Frau S._1943_2.png

Beschwerdeschreiben der Frau S.

Wahrnehmung und Bewertung der Papenhütte und ihrer Bewohner auf einer sozialen und stärker individuellen Ebene, drückt das links abgebildete Dokument aus. In diesem Schreiben beklagt sich Frau S. über ihre vermeintlich „schlechte“ Wohnlage im Gebiet der Papenhütte, in welchem ihre Kinder „in der Umgebung von Zigeunerkindern“ aufwachsen müssten und ihre Verhaltensweisen übernehmen könnten. Das Ziel ihres Schreibens an die Polizei ist es, einen Wohnungstausch in die Wege zu leiten, den sie, ihrer Meinung nach, aufgrund ihres „bei Stalingrad vermissten Mannes“ verdient hätte. Um diesen Tausch umsetzen zu können schuldigt sie eine Sinti-Familie an, zu Unrecht eine bessere Wohnung zu besitzen, und wünscht „aus dieser fremdländischen Umgebung“ durch diese Maßnahme „befreit“ zu werden.6

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1 Cooper, Duncan/ Schubert, Michael: Anhaltende Ausgrenzung, 2014, S. IX.
2 Cooper, Duncan/ Schubert, Michael: Anhaltende Ausgrenzung, 2014, S. 107.
3 NLA OS, Dep 3b IV Nr. 6558.
4 ebd.
5 ebd.
6 Beschwerdeschreiben von Frau S., NLA OS, Rep 430 Dez 201 Akz. 16B/65 Nr. 131 Bd. 4.